© Copyright 2018 Dieter Süverkrüp
In dieser geheimen Tuchfabrik soll Minotauros gestorben sein Aquarell, 50x64 Genau weiß Frau Schippenknott das allerdings auch nicht mehr. Sie war bis zu ihrer Pensionierung vor über zwanzig Jahren Bezirksleiterin der Aufsichtsbehörde des Kämpfenberger Landes. Versonnen blickt sie hinauf zum Horizont und sagt: Da oben rechts hinter den Pappeln, meine ich, hab ich ihn ein einziges Mal gesehen. Ein kräftiger Mann, etwas gebeugt, unterm Arm trug er einen großenStierkopf. Den soll er immer schnell aufgesetzt haben, wenn er sich verstecken mußte. Dann hängte er den braunen Fellmantel über seinen Rücken, ging auf allen Vieren, und jeder dachte, er gehört zur Landschaft. So sagte man jedenfalls. Ach, das ist alles so lange her.
Der Besuch vom Lande Aquarell, 32x25 Das ist eine Geschichte aus altem Familienbesitz. Nur Tante Else Büttschenholz kennt sie genau. Und sie kann sie deswegen so genau erzählen. Aber so genau kann niemand zuhören. Und wäre nicht einst Karlheinz gewesen, ihr verstorbener Mann, dann wüßte kein Mensch aus der ganzen Familie, was in dieser Geschichte überhaupt vorkommt. Doch Karlheinz Büttschenholz war schließlich mit seiner Frau verheiratet und hatte gelernt zuzuhören. Also, das war so. Vor ein paar hundert Jahren gab es in Flandern, wo Tante Elses Familie eigentlich herkommt, ein junges wunderschönes Mädchen. Das wurde eines Tages von seinen Eltern in die Stadt geschickt, denn dort wohnte ein reicher Onkel, der das Mädchen bei sich aufnehmen sollte. Damit der Onkel es auch erkennen konnte, bekam das Mädchen eine Blume mit. Aber vor des Onkels Hause lauerten arglistige Gesellen dem armen Dinge auf, und es ward nie mehr gesehn. Nur die Blume stand lange vor dem Hause, bis der Onkel sich ihrer erbarmte. So ward wenigstens sie gerettet. Und das brachte nach langer Zeit Tante Büttschenholz auf den guten Gedanken, man solle sich vor größeren Reisen zur Sicherheit tarnen, als Blume, als Gemüse oder als Baum.
Hier sieht man wieder 1 und 2 1: Farbstifte/Papier, 32 x24   2: Ölfarbe/Papier, 40 x 30 wie sehr die Frisur einen Menschen verändert! Das wird noch um so deutlicher, wenn es sich, wie in diesem Falle, um zwei ganz unterschiedliche Menschen handelt.
Im Kleinen Tapetentheater läuft ein kubistisches Dreieckstück Öl/Leinwand/Malplatte, 50 x 70 Personen: Mann (groß), Frau (kleiner), Kommissar (noch kleiner) Mann, zischelnd: Deinetwegen habe ich den Mord begangen. Frau, beruhigt ihn: Die Milz war doch nur geliehen! Mann, empört: Aber deinetwegen war Vollmond. Frau, nervös: Nimm die verdammte Flosse da weg. Das Ding gehört zur Rahmenhandlung. Mann, gehässig: Aber duu … mit deinen Pfefferminzfüßen … Frau, schnippisch: Die kühlen den Horizont. (Der Aufzug hält.) Oho, der Herr Kommissar. Kommissar, stöhnend: Bis zum Hals stecke ich in einer Metamorphose. Frau, teilnahmsvoll: So was wie Metadon? Kommissar, zerstreut: Bloße Tarnung: Ich werde ein Musikinstrument. Frau, unsicher: Sobald Sie damit fertig sind, sehn Sie mal den gelben Fleck hier unten. Wenn man drauf drückt, wackelt nicht mal die Lampe. Könnte das ein Indiz sein? Kommissar, ernst: Vielleicht sogar ein Beweis! Vorzüglich! Dann machen wir jetzt erst einmal Werbung, Mann, ungehalten: Und du erhebst dich inzwischen von deinem fetten Kubus!
Diese Frage wird immer wieder diskutiert: Öl/Leinwand, 49 x 49 Soll ein Krug denn nur erst zu Wasser gehn, oder lieber gleich zu Bruch?
Die Erschaffung der Welt Öl/Leinwand, 100x 70 Es kann auch völlig anders gewesen sein. Hier nur ein Ausschnitt. Außerdem ist sie noch gar nicht fertig, wie man weiß. Sie können sich also durchaus beteiligen an der Welterschaffung. Ein wichtiges Mittel dazu ist die Sprache. Kreuzen Sie Wörter mit Wörtern, auf daß diese sich fortpflanzen. Kreuzwörter können entstehen, mehrfach verkantete Metaphern. Oder einfach nur Begriffe, die esbisher so nicht gab. Sie sehen hier beispielsweise einen Hinterelch, Sie sehen Mannesflügel, eine ironische Kuh, eine fingierte Ente. Was sehen Sie noch? Sprechen Sie es aus. So schaffen Sie vielleicht Ersatz für dievielen schon ausgestorbenen Arten. Wichtig bei der Welterschaffung sind auch die Geschichten, die sich in dieser Welt abspielen können. Geschichten erklären Zusammenhänge. Wie könnten die Zusam- menhänge in diesem Welt-Bild sein? Vielleicht war da ein christdemokratischer Kaufmann. Er konnte durch einen Zufall Teileder Insektensammlung des Ernst Jünger erwerben, zu einem günstigen Preis. Nun plante er, dieseSammlung seinerseits zu erweitern durch allerlei Neuerwerbungen, die biologisch möglichst originell sein sollten. Fürs erste beauftragte er einen Künstler, entsprechende Entwürfe zu machen. Darüber verstarb der Kaufmann, und der Künstler mußte versuchen, eine andere Verwendung zu finden für das, was er entworfen hatte … Aber vielleicht fällt Ihnen auch eine viel bessere Erklärung ein, womöglich gar mehrere. Und wenn nicht, betrachten Sie das Bild ganz einfach mit geschlossenen Augen. – Man weiß, daß Zikaden singen. Aber niemand weiß, was sie singen. Vielleicht hören Sie zunächst Zikadengesang. Und dann verstehen Sie ihn sogar. Ganz plötzlich. Wort für Wort. Das wäre dann ein weiterer Beleg dafür, wie poetisch die Welt sein kann, wenn man vor ihr nur gehörig die Augen verschließt.
Als der Kaiser nicht weiterwußte Historienbild. Öl/Leinwand, 70 x 90 Wir sehen den Kaiser mit einigen anderen grauen Gestalten unter einer Decke stecken. Vom linken Bildrand her ist eine Delegation eingetroffen. Ihr Wortführer redet in einer fremdländischen Sprache. Niemand versteht sie. Auch die beiden Minister rechts neben dem Kaiser nicht. Der eine blickt starr ins Leere. Der andere schaut, ob nicht irgendwo außerhalb des Bildes ein Dolmetscher aufgetrieben werden kann. Den Kaiser jedoch bewegt nur eine Frage: Was verbirgt der Wortführer unter seinem glänzenden Mantel? Vielleicht ein Gastgeschenk? Ein neues Szepter? Das alte ist schon ziemlich kurz geworden. Der Kaiser pflegt darauf herumzukauen, wenn es um schwierige Staatsgeschäfte geht. Er befiehlt: Zeig endlich her! Der Angesprochene versteht nicht. Eine für alle ausweglose Situation … Die ganze Szene spielt in der Epoche des allmählichen Übergangs vom Schwarzweiß zur lokalen Farbigkeit. Das wirft ein interessantes Licht auf die historische Rolle jeder einzelnen Figur sowie auf den geschichtlichen Gesamtprozeß. Einige Personendarstellungen sind noch nicht sicher gedeutet. So die Augurengruppe rechts oben und die Knabengestalt über dem Saum des Göttinnenkleides. Neuere Untersuchungen haben zudem ergeben, daß auch der Bildtitel nicht als der originale angesehen werden kann. Er entstand eher zufällig. Ein Transportarbeiter trug das Gemälde in einen Ausstellungsraum, fand den vorgesehenen Hängeplatz nicht und rief: Jetzt weiß ich nicht weiter! – Um ihn zu hänseln, gaben seine Kollegen dem Bild dann den überlieferten Titel, denn dieser Kollege war ein gewisser H.J. Kaiser.
Tischlein deck dich oder Wirtschaftspolitische Grundthese oder Plenus Venter oder Repräsentatives Querformat Öl/Leinwand, 70 x 90 Wenn Sie Lust haben, noch weitere Titel zu erfinden, bittesehr! Sie sehen ja, dieses scheinbar so eindeutige Sujet erweist sich als eindeutig mehr-eindeutig. Unter der Wirkung Ihres Titels würde es sich erneut verändern: Das Bild als Sinnträger erführe einen weiteren spontanen Sinneswandel. Und Sie könnten gelassen dabeistehen und sehn, was Sie angerichtet haben. Im übrigen brächten Sie dergestalt ein Naturgesetz zur Wirkung, auf Grund dessen es überhaupt möglich ist, für die verschiedenartigsten, selbst die entlegensten Zwecke Denkmäler zu schaffen. Gelegentlich werden Sie dafür weitere Beispiele finden.
© Copyright 2018 Dieter Süverkrüp
In dieser geheimen Tuchfabrik soll Minotauros gestorben sein Aquarell, 50x64 Genau weiß Frau Schippenknott das allerdings auch nicht mehr. Sie war bis zu ihrer Pensionierung vor über zwanzig Jahren Bezirksleiterin der Aufsichtsbehörde des Kämpfenberger Landes. Versonnen blickt sie hinauf zum Horizont und sagt: Da oben rechts hinter den Pappeln, meine ich, hab ich ihn ein einziges Mal gesehen. Ein kräftiger Mann, etwas gebeugt, unterm Arm trug er einen großenStierkopf. Den soll er immer schnell aufgesetzt haben, wenn er sich verstecken mußte. Dann hängte er den braunen Fellmantel über seinen Rücken, ging auf allen Vieren, und jeder dachte, er gehört zur Landschaft. So sagte man jedenfalls. Ach, das ist alles so lange her.
Der Besuch vom Lande Aquarell, 32x25 Das ist eine Geschichte aus altem Familienbesitz. Nur Tante Else Büttschenholz kennt sie genau. Und sie kann sie deswegen so genau erzählen. Aber so genau kann niemand zuhören. Und wäre nicht einst Karlheinz gewesen, ihr verstorbener Mann, dann wüßte kein Mensch aus der ganzen Familie, was in dieser Geschichte überhaupt vorkommt. Doch Karlheinz Büttschenholz war schließlich mit seiner Frau verheiratet und hatte gelernt zuzuhören. Also, das war so. Vor ein paar hundert Jahren gab es in Flandern, wo Tante Elses Familie eigentlich herkommt, ein junges wunderschönes Mädchen. Das wurde eines Tages von seinen Eltern in die Stadt geschickt, denn dort wohnte ein reicher Onkel, der das Mädchen bei sich aufnehmen sollte. Damit der Onkel es auch erkennen konnte, bekam das Mädchen eine Blume mit. Aber vor des Onkels Hause lauerten arglistige Gesellen dem armen Dinge auf, und es ward nie mehr gesehn. Nur die Blume stand lange vor dem Hause, bis der Onkel sich ihrer erbarmte. So ward wenigstens sie gerettet. Und das brachte nach langer Zeit Tante Büttschenholz auf den guten Gedanken, man solle sich vor größeren Reisen zur Sicherheit tarnen, als Blume, als Gemüse oder als Baum.
Hier sieht man wieder 1 und 2 1: Farbstifte/Papier, 32 x24   2: Ölfarbe/Papier, 40 x 30 wie sehr die Frisur einen Menschen verändert! Das wird noch um so deutlicher, wenn es sich, wie in diesem Falle, um zwei ganz unterschiedliche Menschen handelt.
Im Kleinen Tapetentheater läuft ein kubistisches Dreieckstück Öl/Leinwand/Malplatte, 50 x 70 Personen: Mann (groß), Frau (kleiner), Kommissar (noch kleiner) Mann, zischelnd: Deinetwegen habe ich den Mord begangen. Frau, beruhigt ihn: Die Milz war doch nur geliehen! Mann, empört: Aber deinetwegen war Vollmond. Frau, nervös: Nimm die verdammte Flosse da weg. Das Ding gehört zur Rahmenhandlung. Mann, gehässig: Aber duu … mit deinen Pfefferminzfüßen … Frau, schnippisch: Die kühlen den Horizont. (Der Aufzug hält.) Oho, der Herr Kommissar. Kommissar, stöhnend: Bis zum Hals stecke ich in einer Metamorphose. Frau, teilnahmsvoll: So was wie Metadon? Kommissar, zerstreut: Bloße Tarnung: Ich werde ein Musikinstrument. Frau, unsicher: Sobald Sie damit fertig sind, sehn Sie mal den gelben Fleck hier unten. Wenn man drauf drückt, wackelt nicht mal die Lampe. Könnte das ein Indiz sein? Kommissar, ernst: Vielleicht sogar ein Beweis! Vorzüglich! Dann machen wir jetzt erst einmal Werbung, Mann, ungehalten: Und du erhebst dich inzwischen von deinem fetten Kubus!
Diese Frage wird immer wieder diskutiert: Öl/Leinwand, 49 x 49 Soll ein Krug denn nur erst zu Wasser gehn, oder lieber gleich zu Bruch?
Die Erschaffung der Welt Öl/Leinwand, 100x 70 Es kann auch völlig anders gewesen sein. Hier nur ein Ausschnitt. Außerdem ist sie noch gar nicht fertig, wie man weiß. Sie können sich also durchaus beteiligen an der Welterschaffung. Ein wichtiges Mittel dazu ist die Sprache. Kreuzen Sie Wörter mit Wörtern, auf daß diese sich fortpflanzen. Kreuzwörter können entstehen, mehrfach verkantete Metaphern. Oder einfach nur Begriffe, die esbisher so nicht gab. Sie sehen hier beispielsweise einen Hinterelch, Sie sehen Mannesflügel, eine ironische Kuh, eine fingierte Ente. Was sehen Sie noch? Sprechen Sie es aus. So schaffen Sie vielleicht Ersatz für dievielen schon ausgestorbenen Arten. Wichtig bei der Welterschaffung sind auch die Geschichten, die sich in dieser Welt abspielen können. Geschichten erklären Zusammenhänge. Wie könnten die Zusam- menhänge in diesem Welt-Bild sein? Vielleicht war da ein christdemokratischer Kaufmann. Er konnte durch einen Zufall Teileder Insektensammlung des Ernst Jünger erwerben, zu einem günstigen Preis. Nun plante er, dieseSammlung seinerseits zu erweitern durch allerlei Neuerwerbungen, die biologisch möglichst originell sein sollten. Fürs erste beauftragte er einen Künstler, entsprechende Entwürfe zu machen. Darüber verstarb der Kaufmann, und der Künstler mußte versuchen, eine andere Verwendung zu finden für das, was er entworfen hatte … Aber vielleicht fällt Ihnen auch eine viel bessere Erklärung ein, womöglich gar mehrere. Und wenn nicht, betrachten Sie das Bild ganz einfach mit geschlossenen Augen. – Man weiß, daß Zikaden singen. Aber niemand weiß, was sie singen. Vielleicht hören Sie zunächst Zikadengesang. Und dann verstehen Sie ihn sogar. Ganz plötzlich. Wort für Wort. Das wäre dann ein weiterer Beleg dafür, wie poetisch die Welt sein kann, wenn man vor ihr nur gehörig die Augen verschließt.
Als der Kaiser nicht weiterwußte Historienbild. Öl/Leinwand, 70 x 90 Wir sehen den Kaiser mit einigen anderen grauen Gestalten unter einer Decke stecken. Vom linken Bildrand her ist eine Delegation eingetroffen. Ihr Wortführer redet in einer fremdländischen Sprache. Niemand versteht sie. Auch die beiden Minister rechts neben dem Kaiser nicht. Der eine blickt starr ins Leere. Der andere schaut, ob nicht irgendwo außerhalb des Bildes ein Dolmetscher aufgetrieben werden kann. Den Kaiser jedoch bewegt nur eine Frage: Was verbirgt der Wortführer unter seinem glänzenden Mantel? Vielleicht ein Gastgeschenk? Ein neues Szepter? Das alte ist schon ziemlich kurz geworden. Der Kaiser pflegt darauf herumzukauen, wenn es um schwierige Staatsgeschäfte geht. Er befiehlt: Zeig endlich her! Der Angesprochene versteht nicht. Eine für alle ausweglose Situation … Die ganze Szene spielt in der Epoche des allmählichen Übergangs vom Schwarzweiß zur lokalen Farbigkeit. Das wirft ein interessantes Licht auf die historische Rolle jeder einzelnen Figur sowie auf den geschichtlichen Gesamtprozeß. Einige Personendarstellungen sind noch nicht sicher gedeutet. So die Augurengruppe rechts oben und die Knabengestalt über dem Saum des Göttinnenkleides. Neuere Untersuchungen haben zudem ergeben, daß auch der Bildtitel nicht als der originale angesehen werden kann. Er entstand eher zufällig. Ein Transportarbeiter trug das Gemälde in einen Ausstellungsraum, fand den vorgesehenen Hängeplatz nicht und rief: Jetzt weiß ich nicht weiter! – Um ihn zu hänseln, gaben seine Kollegen dem Bild dann den überlieferten Titel, denn dieser Kollege war ein gewisser H.J. Kaiser.
Tischlein deck dich oder Wirtschaftspolitische Grundthese oder Plenus Venter oder Repräsentatives Querformat Öl/Leinwand, 70 x 90 Wenn Sie Lust haben, noch weitere Titel zu erfinden, bittesehr! Sie sehen ja, dieses scheinbar so eindeutige Sujet erweist sich als eindeutig mehr-eindeutig. Unter der Wirkung Ihres Titels würde es sich erneut verändern: Das Bild als Sinnträger erführe einen weiteren spontanen Sinneswandel. Und Sie könnten gelassen dabeistehen und sehn, was Sie angerichtet haben. Im übrigen brächten Sie dergestalt ein Naturgesetz zur Wirkung, auf Grund dessen es überhaupt möglich ist, für die verschiedenartigsten, selbst die entlegensten Zwecke Denkmäler zu schaffen. Gelegentlich werden Sie dafür weitere Beispiele finden.
© Copyright 2018 Dieter Süverkrüp
In dieser geheimen Tuchfabrik soll Minotauros gestorben sein Aquarell, 50x64 Genau weiß Frau Schippenknott das allerdings auch nicht mehr. Sie war bis zu ihrer Pensionierung vor über zwanzig Jahren Bezirksleiterin der Aufsichtsbehörde des Kämpfenberger Landes. Versonnen blickt sie hinauf zum Horizont und sagt: Da oben rechts hinter den Pappeln, meine ich, hab ich ihn ein einziges Mal gesehen. Ein kräftiger Mann, etwas gebeugt, unterm Arm trug er einen großenStierkopf. Den soll er immer schnell aufgesetzt haben, wenn er sich verstecken mußte. Dann hängte er den braunen Fellmantel über seinen Rücken, ging auf allen Vieren, und jeder dachte, er gehört zur Landschaft. So sagte man jedenfalls. Ach, das ist alles so lange her.
Der Besuch vom Lande Aquarell, 32x25 Das ist eine Geschichte aus altem Familienbesitz. Nur Tante Else Büttschenholz kennt sie genau. Und sie kann sie deswegen so genau erzählen. Aber so genau kann niemand zuhören. Und wäre nicht einst Karlheinz gewesen, ihr verstorbener Mann, dann wüßte kein Mensch aus der ganzen Familie, was in dieser Geschichte überhaupt vorkommt. Doch Karlheinz Büttschenholz war schließlich mit seiner Frau verheiratet und hatte gelernt zuzuhören. Also, das war so. Vor ein paar hundert Jahren gab es in Flandern, wo Tante Elses Familie eigentlich herkommt, ein junges wunderschönes Mädchen. Das wurde eines Tages von seinen Eltern in die Stadt geschickt, denn dort wohnte ein reicher Onkel, der das Mädchen bei sich aufnehmen sollte. Damit der Onkel es auch erkennen konnte, bekam das Mädchen eine Blume mit. Aber vor des Onkels Hause lauerten arglistige Gesellen dem armen Dinge auf, und es ward nie mehr gesehn. Nur die Blume stand lange vor dem Hause, bis der Onkel sich ihrer erbarmte. So ward wenigstens sie gerettet. Und das brachte nach langer Zeit Tante Büttschenholz auf den guten Gedanken, man solle sich vor größeren Reisen zur Sicherheit tarnen, als Blume, als Gemüse oder als Baum.
Hier sieht man wieder 1 und 2 1: Farbstifte/Papier, 32 x24   2: Ölfarbe/Papier, 40 x 30 wie sehr die Frisur einen Menschen verändert! Das wird noch um so deutlicher, wenn es sich, wie in diesem Falle, um zwei ganz unterschiedliche Menschen handelt.
Im Kleinen Tapetentheater läuft ein kubistisches Dreieckstück Öl/Leinwand/Malplatte, 50 x 70 Personen: Mann (groß), Frau (kleiner), Kommissar (noch kleiner) Mann, zischelnd: Deinetwegen habe ich den Mord begangen. Frau, beruhigt ihn: Die Milz war doch nur geliehen! Mann, empört: Aber deinetwegen war Vollmond. Frau, nervös: Nimm die verdammte Flosse da weg. Das Ding gehört zur Rahmenhandlung. Mann, gehässig: Aber duu … mit deinen Pfefferminzfüßen … Frau, schnippisch: Die kühlen den Horizont. (Der Aufzug hält.) Oho, der Herr Kommissar. Kommissar, stöhnend: Bis zum Hals stecke ich in einer Metamorphose. Frau, teilnahmsvoll: So was wie Metadon? Kommissar, zerstreut: Bloße Tarnung: Ich werde ein Musikinstrument. Frau, unsicher: Sobald Sie damit fertig sind, sehn Sie mal den gelben Fleck hier unten. Wenn man drauf drückt, wackelt nicht mal die Lampe. Könnte das ein Indiz sein? Kommissar, ernst: Vielleicht sogar ein Beweis! Vorzüglich! Dann machen wir jetzt erst einmal Werbung, Mann, ungehalten: Und du erhebst dich inzwischen von deinem fetten Kubus!
Diese Frage wird immer wieder diskutiert: Öl/Leinwand, 49 x 49 Soll ein Krug denn nur erst zu Wasser gehn, oder lieber gleich zu Bruch?
Die Erschaffung der Welt Öl/Leinwand, 100x 70 Es kann auch völlig anders gewesen sein. Hier nur ein Ausschnitt. Außerdem ist sie noch gar nicht fertig, wie man weiß. Sie können sich also durchaus beteiligen an der Welterschaffung. Ein wichtiges Mittel dazu ist die Sprache. Kreuzen Sie Wörter mit Wörtern, auf daß diese sich fortpflanzen. Kreuzwörter können entstehen, mehrfach verkantete Metaphern. Oder einfach nur Begriffe, die esbisher so nicht gab. Sie sehen hier beispielsweise einen Hinterelch, Sie sehen Mannesflügel, eine ironische Kuh, eine fingierte Ente. Was sehen Sie noch? Sprechen Sie es aus. So schaffen Sie vielleicht Ersatz für dievielen schon ausgestorbenen Arten. Wichtig bei der Welterschaffung sind auch die Geschichten, die sich in dieser Welt abspielen können. Geschichten erklären Zusammenhänge. Wie könnten die Zusam-menhänge in diesem Welt-Bild sein? Vielleicht war da ein christdemokratischer Kaufmann. Er konnte durch einen Zufall Teileder Insektensammlung des Ernst Jünger erwerben, zu einem günstigen Preis. Nun plante er, dieseSammlung seinerseits zu erweitern durch allerlei Neuerwerbungen, die biologisch möglichst originell sein sollten. Fürs erste beauftragte er einen Künstler, entsprechende Entwürfe zu machen. Darüber verstarb der Kaufmann, und der Künstler mußte versuchen, eine andere Verwendung zu finden für das, was er entworfen hatte … Aber vielleicht fällt Ihnen auch eine viel bessere Erklärung ein, womöglich gar mehrere. Und wenn nicht, betrachten Sie das Bild ganz einfach mit geschlossenen Augen. – Man weiß, daß Zikaden singen. Aber niemand weiß, was sie singen. Vielleicht hören Sie zunächst Zikadengesang. Und dann verstehen Sie ihn sogar. Ganz plötzlich. Wort für Wort. Das wäre dann ein weiterer Beleg dafür, wie poetisch die Welt sein kann, wenn man vor ihr nur gehörig die Augen verschließt.
Als der Kaiser nicht weiterwußte Historienbild. Öl/Leinwand, 70 x 90 Wir sehen den Kaiser mit einigen anderen grauen Gestalten unter einer Decke stecken. Vom linken Bildrand her ist eine Delegation eingetroffen. Ihr Wortführer redet in einer fremdländischen Sprache. Niemand versteht sie. Auch die beiden Minister rechts neben dem Kaiser nicht. Der eine blickt starr ins Leere. Der andere schaut, ob nicht irgendwo außerhalb des Bildes ein Dolmetscher aufgetrieben werden kann. Den Kaiser jedoch bewegt nur eine Frage: Was verbirgt der Wortführer unter seinem glänzenden Mantel? Vielleicht ein Gastgeschenk? Ein neues Szepter? Das alte ist schon ziemlich kurz geworden. Der Kaiser pflegt darauf herumzukauen, wenn es um schwierige Staatsgeschäfte geht. Er befiehlt: Zeig endlich her! Der Angesprochene versteht nicht. Eine für alle ausweglose Situation … Die ganze Szene spielt in der Epoche des allmählichen Übergangs vom Schwarzweiß zur lokalen Farbigkeit. Das wirft ein interessantes Licht auf die historische Rolle jeder einzelnen Figur sowie auf den geschichtlichen Gesamtprozeß. Einige Personendarstellungen sind noch nicht sicher gedeutet. So die Augurengruppe rechts oben und die Knabengestalt über dem Saum des Göttinnenkleides. Neuere Untersuchungen haben zudem ergeben, daß auch der Bildtitel nicht als der originale angesehen werden kann. Er entstand eher zufällig. Ein Transportarbeiter trug das Gemälde in einen Ausstellungsraum, fand den vorgesehenen Hängeplatz nicht und rief: Jetzt weiß ich nicht weiter! – Um ihn zu hänseln, gaben seine Kollegen dem Bild dann den überlieferten Titel, denn dieser Kollege war ein gewisser H.J. Kaiser.
Tischlein deck dich oder Wirtschaftspolitische Grundthese oder Plenus Venter oder Repräsentatives Querformat Öl/Leinwand, 70 x 90 Wenn Sie Lust haben, noch weitere Titel zu erfinden, bittesehr! Sie sehen ja, dieses scheinbar so eindeutige Sujet erweist sich als eindeutig mehr-eindeutig. Unter der Wirkung Ihres Titels würde es sich erneut verändern: Das Bild als Sinnträger erführe einen weiteren spontanen Sinneswandel. Und Sie könnten gelassen dabeistehen und sehn, was Sie angerichtet haben. Im übrigen brächten Sie dergestalt ein Naturgesetz zur Wirkung, auf Grund dessen es überhaupt möglich ist, für die verschiedenartigsten, selbst die entlegensten Zwecke Denkmäler zu schaffen. Gelegentlich werden Sie dafür weitere Beispiele finden.